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Die Waterloo-Kapelle

 

Als das Gifhorner Landwehrbataillon im Sommer 1814 zur Verstärkung der englischen Armee nach den Niederlanden ausmarschiert war, verfügte jede der vier Kompanien über zwei Trommler, die als Tambouren bezeichnet wurden.

 

Für die erste Kompanie "Gifhorn" waren es der 21 jährige Johann-Heinrich Schulze aus Gifhorn und der 17 jährige Heinrich Christian Brandes aus Isenbüttel, die bei den Märschen den Takt angaben.

Im Laufe der Zeit haben sich alle Landwehrbataillone eine kleine Bataillons-Musik zugelegt.

 

Aus den Aufzeichnungen des später geführten Bataillons - Tagebuches geht hervor, dass die "Bataillons - Musik" die Erlaubnis hatte, den Offizieren zum Neujahrstag 1815 zu gratulieren.

 

Als das Landwehrbataillon am 21. Januar 1816 anlässlich des Rückmarsches in die Heimat die hannoverische Grenze überschritten hatte, lies der Kommandeur Major Wiedenfeld die Mannschaft in Paradeaufstellung antreten. Die Kapelle des Bataillons spielte die Königshymne "God save the King". Nach einer kurzen Ansprache des Kommandeurs wurde der Rückmarsch fortgesetzt. Auch bei der Ankunft des Bataillons in Gifhorn am 2. Februar des gleichen Jahres sorgte die Kapelle für den musikalischen Rahmen.

 

 

Der musikalische Beginn

"Les débuts de la musique"

 

Nach der Rückkehr des Bataillons in die Heimat wurden die Landwehrmänner in den Beurlaubtenstand versetzt und zu ihren Familien entlassen. Lediglich eine Garnisonstruppe von 80 Mann, die den städtischen Wachdienst zu versehen hatte, verblieb in der Stadt.

 

Später wurde diese Mannschaft reduziert. Bei dieser Aufstellung werden erstmals neun Spielleute erwähnt, die von einem "Premier de Musik" geleitet wurden.

 

Der letzte "Premier" der Waterloo-Kapelle war der Corporal Albes aus Hannover.

 

Als 1820 die hannoverschen Landwehrbataillone durch königlichen Erlass aufgelöst wurden, gingen die restlichen noch wehrpflichtigen Landwehrmänner zum 4. Infanterie-Regiment nach Celle.

 

Die "nicht amtlichem Musikinstrumente" blieben in Gifhorn, da die Musiker nicht im Etat standen und offiziell nicht vorhanden waren. So kam es, dass einige Gegenstände der Bataillons-Musik in Gifhorn weiter benutzt werden konnten. Nach mündlichen Überlieferungen soll es sich hierbei um den Tambourstab, die große Trommel, zwei Landsknechtstrommeln und um den Degen des Tambourmajors handeln.

 

 

Die Tambourmajore der Waterloo-Kapelle

 

Der erste Tambourmajor der Waterloo-Kapelle nach der Auflösung der Landwehr scheint Schuhmachermeister Andreas Grußendorf gewesen zu sein, der 1815 in der 2. Bürgerkompanie des Landsturms seinen Dienst versehen hatte.

 

Bis 1832 führte er die Kapelle an. Sein Nachfolger war der Bürger Ernst Harms. Am 11. Juni 1844 stellte Andreas Grußendorf beim Magistrat zu Gifhorn den Antrag, wieder als Tambourmajor eingesetzt zu werden, da die "Mundur (Monzur = Uniform) zu Passe gemacht" sei (passgerecht gemacht).

 

Er wolle auch mit "allem Eifer" seinen Dienst versehen.

 

Bürgermeister und Rat der Stadt lehnten den Antrag ab, da die Stelle besetzt war und keine Gründe vorlagen, den amtierenden Tambourmajor abzusetzen. „Da ein solcher Mann aber unbedingt erforderlich ist", beschlossen Bürgermeister und Rat, einen Ersatz - Tambourmajor einzusetzen.

 

Die Wahl fiel auf Leinewebermeister Christian Meyer.

 

Da "der Anzug desselben schlecht war", wurde beschlossen, ihm einen neuen Waffenrock von "Kornblauerfarbe" und zwei "weiße Beinkleider" auf Rechnung der Stadtkasse anfertigen zu lassen. Dem bisherigen Tambourmajor Harms wurde die alte Uniform "armutshalber" belassen.

 

Christian Meyer führte den Tambourstab bis 1860.

 

Es folgten bis 1949 sieben Tambourmajore.

 

Ältere Gifhorner können sich noch an den Tambourmajor Otto Later und an seinen Nachfolger Rudolf Heller erinnern, wenn sie im Schützenumzug in der schmucken blauen Uniform mit Tschako vor den Männern der Waterloo-Kapelle durch die Stadt marschierten.

 

Die beiden erwähnten Landknechtstrommeln, die noch aus der Waterloo Zeit stammten, sind im Laufe der Zeit verloren gegangen. Vermutlich sind sie von den im Kriege hier stationierten Besatzungstruppen als Souvenir mitgenommen worden. Dank der Mithilfe des Prinzen August von Hannover, der der Waterloo-Kapelle leihweise eine Trommel zur Verfügung gestellt hatte, konnten zwei Ersatztrommeln nach dem damaligen Muster beschafft werden. Beim Schützenfest 1965 wurden dann wieder Landknechtstrommeln mitgeführt.

 

Die Große Trommel - fälschlicherweise auch als Pauke bezeichnet - war ursprünglich so groß und schwer, dass sie nur mit Unterstützung von einem "Beijungen" gehalten werden konnte. Bei den Umzügen marschierte der Junge vorweg und hielt mit den nach hinten gehaltenen Händen die Trommel fest. Die Breite des Instruments machte es unmöglich, durch schmale Haustüren zu gelangen. Das brachte für die Waterloo-Kapelle beim Ständchen bringen immer wieder Probleme mit sich.

 

Um diesem Übel abzuhelfen, wurden 12 Zentimeter der Trommel in der Breite abgesägt und das Trommelfell wieder darauf gesetzt. Leider ist durch diese Veränderung auch ein Stück Tradition verlorengegangen.

Mitte der 50 Jahres des vorigen Jahrhunderts wurde die große Trommel in den "Ruhestand" versetzt und eine neue angeschafft. 1962 wurden von Schneidermeister Stäter aus Calberlah nach historischen Vorlagen neue Uniformen angefertigt.

 

Bei den Festumzügen des Schützenfestes wurden sie erstmals getragen und bei der Eröffnungsrede durch Bürgermeister Herbert Trautmann vorgestellt. Anlässlich der Generalversammlung des Bürgerschützenkorps am 2. März 1974 verabschiedete Major Wilhelm Ahrens seinen verdienstvollen Tambourmajor Rudolf Heller, der 18 Jahre seinen Tambourstab auf vielen Schützenfesten und Veranstaltungen geschwungen hatte. Zu seinem Nachfolger wählte die Versammlung seinen Enkel Günther Behrens, der damit die Reihe der Tamboure seiner Familie bis zum heutigen Tag fortsetzt.